Timpetei auf Wanderschaft
Seit der alte Elbe sich vor langer, langer Zeit mit seinem Volk zerstritten hatte, lebte er einsam in einem kleinen Haus weitab von den menschlichen Siedlungen. Er liebte die Natur um sich herum und war zufrieden mit sich selbst und den Tieren, die mit ihm lebten. Ein wenig schrullig war er schon. Er war ziemlich vergesslich und sehr eigensinnig, was die Ordnung in seinem Haus betraf. Aber wer vierhundert Jahre alt ist, darf ruhig ein wenig schrullig sein. Die Tiere störte es nicht und bei den gelegentlichen Besuchen, im Dorf der Menschen, die er alle 50 Jahre einmal unternahm, fiel es nicht auf. Der letzte Besuch lag nun schon genau solange zurück. Als Eiwei ihn besuchen kam, traf er gerade alle Vorkehrungen für seine Reise ins Dorf. Eiwei, war ein kleines rotes Eichhörnchen, das er aufgezogen hatte, nachdem er es verwaist im Wald gefunden hatte. Eiwei war ständig zu Schabernack und kleinen Späßen aufgelegt und ärgerte Timpetei gerne, indem es Kleinigkeiten versteckte. Jetzt saß es auf dem Fenstersims der kleinen Hütte und klopfte an die Scheibe. Aber immer wenn Timpetei zum Fenster schaute, duckte es sich. „Ja, was zum grünschillernden Mistkäfer ist denn das?“, murmelte Timpetei und lief zum Fenster, um es aufzustoßen und nachzusehen. Dies tat er so ungestüm, dass er Eiwei herunterschubste. „Autsch, geht das auch langsamer?“ rief Eiwei empört und rieb sich sein schmerzendes Hinterteil. „Ach, du bist das, das hätte ich mir ja denken können, du kleiner Quälgeist. Das ist die gerechte Strafe für deinen albernen Schabernack!“ Als er das sagte, grinste Timpetei über das ganze faltige, alte Gesicht. „Komm rein. Magst du ein paar Nüsse mit mir essen?“ Bei Nüssen sagte Eiwei niemals nein. Es hüpfte zu Timpetei in die Küche und schaute sich um. „Was tust du ?“ fragte es. „Ich packe!“ „Wozu?“ "Für die Reise ins Menschendorf. Ich werde ein paar Tage unterwegs sein.“ Zwischen Nüsse knacken und Nüsse mümmeln, wollte Eiwei noch viel mehr über das Menschendorf wissen, aber Timpetei hatte es eilig und war sehr wortkarg. „Ich erzähl dir alles haarklein, wenn ich zurück bin. Du weißt doch, wer eine Reise tut kann hinterher soooo viel erzählen.“ Dabei breitete er seine Arme weit aus, um zu unterstreichen wie viel man erzählen kann und lachte. Eiwei, freute sich schon auf die vielen schönen Geschichten, die Timpetei mitbringen würde, so wie immer, wenn er für ein paar Tage auf Wanderschaft ging. „Wann willst du los?“, fragte es. „Morgen nach dem Frühstück.“ „Prima, dann sage ich allen Bescheid und wir begleiten dich ein Stück des Weges!“ „Fein, tu das, aber bitte lass mich jetzt packen.“ „Bin schon weg!“, kickste Eiwei. „Bis morgen!“ „Bis morgen und mach keinen Blödsinn!“ „Nö, nö! Bis morgen!“ „Ja, bis morgen!“ „Bis morgen!“ flötete es noch einmal. Timpetei richtete sich zur vollen Größe auf, stemmte beide Hände in die Hüfte und nahm einen drohenden Gesichtsausdruck an. „Bin schon weg!“, rief Eiwei und hüpfte schnell aus dem noch immer offenem Fenster. Timpetei grinste. „So ein freches Ding!“, brummelte er lachend und begann seine Sachen weiter zu sortieren. „Wo war ich denn jetzt?“ Kopfschüttelnd besah er sein Chaos und versuchte sich zu erinnern, was er gerade tun wollte, als Eiwei zum Fenster hereinkam. Richtig, das dicke Zauberbuch fehlte noch, denn er konnte sich die vielen Zaubersprüche einfach nicht mehr merken. Früher war er der beste Gedächtniskünstler seines Volkes, aber heute brachte er keinen einzigen Zauberspruch mehr ohne Buch zustande. Er schleppte das dicke Buch zum Rucksack und packte es vorsichtig ein. Jetzt fehlte noch der Beutel mit dem zauberhaften Blütenstaub. Als er den Beutel in den Rucksack gelegt hatte, sah er sich noch einmal um. Alles was er unterwegs brauchte, war sorgfältig eingepackt. Nun brachte das Durcheinander im Haus in Ordnung, aß ein einfaches Abendbrot und legte sich früh zu Bett.
Am nächsten Morgen zog Timpetei sein bestes Wams an, sah noch ein letztesmal gewissenhaft nach allen Dingen, nahm seinen Rucksack und verließ sein kleines Haus, das sich tief zwischen drei alte Buchen duckte. Er wollte sich noch kurz von den Tieren verabschieden, die um ihn herum lebten. Er war gespannt, ob Eiwei alle erreicht hatte. Seinen Rucksack stellte vor das Haus auf eine alte, halb verfallene Holzbank, an der das Efeu hochkroch und sich anschickte die Hauswand zu erklimmen. Langsam schlenderte Timpetei durch den Garten, um Abschied zu nehmen. Eulalia, die große Waldohreule, saß auf einem niedrigen Ast der alten Buche, der über den Zaun in Timpeteis Garten hereinragte. „Schuhu!“, rief sie, „Du bist aber schon früh auf!“ „Und du spät dran!“, erwiderte Timpetei, denn als Eule war sie nachts unterwegs und bei Tagesanbruch längst verschwunden, denn den Tag verschlief sie normalerweise. Heute aber hatte sie auf ihn gewartet. Eulalia war alt und sehr weise. Alle Tiere der Umgebung kamen mit ihren Problemen zu ihr, deshalb wurde sie auch nur die Weise genannt. „“Du hast dich so fein gemacht, du willst also wirklich fort?“ bemerkte Eulalia fragend. „Ja, es ist wieder Zeit für einen Besuch im Dorf. Ich will schauen, was sich verändert hat in den letzten 50 Jahren. Schließlich will ich auf dem Laufenden bleiben, selbst wenn ich am Rande der Welt wohne und mich das alles nicht betrifft.“ grinste Timpetei. „Da hast du wohl recht. Aber gib acht auf dich. Bei allem was ich hörte, ist die Veränderung groß. Du wirst von Vielem überrascht sein. Pass gut auf dich auf!“. „Das werde ich!“, versprach Timpetei, „Das werde ich! Mach es gut Eulalia, bis bald!“ Er spazierte weiter am Zaun seines Gartens entlang, der windschief und mit Wicken bewachsen ein wildromatisches Bild bot. Timpetei stöhnte, als ihm der marode Zaun bewusst wurde und murmelte: „Der Zaun müsste gerichtet werden, aber das erledige ich nach der Reise!“ Er pflückte hier und da noch eine saftige rote Erdbeere, dabei traf er auf Hanno, den Hasen. Er war der schnellste Kurier im Wald. Was immer als Botschaft verbreitet werden sollte, das transportierte Hanno. Jetzt saß er mitten im Salatbeet von Timpetei und kaute mit vollen Backen. „Ah, beim Frühstück, Hanno!“ „Ich, ich, ich habe wirklich nur ein ganz kleines Salatblatt gezupft. Es war auch schon von den Schnecken angebissen!“, stotterte der ertappte Hanno. Aber Timpetei lachte nur. „Du weißt doch, dass ich dagegen nichts einzuwenden habe, Hanno. Solange mir genug bleibt, dürft ihr euch gern bedienen. Passt du, während ich fort bin, ein wenig auf den Salat auf?“ Timpetei wusste ganz genau, dass er damit den Bock zum Gärtner machte, aber besser Hanno fraß den Salat, bevor er während seiner Abwesenheit verdarb. „Klar!“ versprach Hanno. „Wo soll es denn diesmal hingehen? Eiwei sagte nur, du willst weg.“, lenkte Hanno schnell vom Salat ab. „Ins Dorf. Ich war schon lang nicht dort!“ „Vom Dorf habe ich schon viel gehört, aber dort will ich nicht hin. Viel Blech, viel Steine, wenig Salat, erzählt man sich.“ So fasste Hanno das Dorf zusammen. „Ja, du hast recht, es ist nicht der richtige Ort für uns. Trotzdem will ich mal nachschauen, was es dort Neues gibt. „Tschühüss!“ rief Eiwei vom Zaun aus. Unbemerkt war es Timpetei auf dem Zaun hüpfend gefolgt. „Ja, Tschühüss, Eiwei und übertreib es nicht mit dem Schabernack während ich weg bin. „Nein, nein!“ fiepte es und verschwand wieder jenseits des Zauns im nahen Wald. Auch Hanno winkte noch mal kurz mit seinen riesigen Schlappohren, bevor auch er sich davon machte.